Fünf Jahre nach der Berufung von Jana Kühl zur ersten Professorin für Radverkehrsmanagement in Deutschland zeigt sich: Das Thema nachhaltige Mobilität hat sich fest in der akademischen Landschaft etabliert. An sieben Hochschulen und Universitäten im Land existieren inzwischen Professuren mit Schwerpunkt Radverkehr. Bei einer Tagung in Braunschweig zogen Wissenschaftler eine erste Bilanz und präsentierten aktuelle Forschungsergebnisse. Auch Göttingen spielt bei der Entwicklung neuer Konzepte eine wichtige Rolle.
Inhaltsverzeichnis:
- Ostfalia in Salzgitter bildet Fachkräfte für nachhaltige Mobilität aus
- E-Radschnellwege in Göttingen als Vorzeigeprojekt
- Städte wie Braunschweig, Hannover und Göttingen investieren
- Lastenräder zwischen Akzeptanz und Ablehnung
Ostfalia in Salzgitter bildet Fachkräfte für nachhaltige Mobilität aus
An der Hochschule Ostfalia in Salzgitter läuft seit fünf Jahren der Bachelorstudiengang „Nachhaltige Mobilität“. Das Programm dauert sieben Semester und legt den Fokus auf Radverkehrslösungen für alle Verkehrsteilnehmer. Jährlich stehen 30 Studienplätze zur Verfügung, von denen nicht alle belegt sind. Die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist groß, besonders bei Kommunen und Verkehrsplanungsbüros. Ein Praxissemester kann bei Stadtbus Goslar absolviert werden.
Die Ausbildung umfasst Mobilitätsanalysen und Verkehrsentwicklungsplanung. Laut Professorin Jana Kühl sind Absolventinnen und Absolventen stark gefragt. Die Hochschule bietet somit eine praxisorientierte Grundlage für zukünftige Fachleute, die an einer modernen Verkehrsinfrastruktur mitarbeiten wollen.
E-Radschnellwege in Göttingen als Vorzeigeprojekt
In Göttingen wurde ein bundesweit beachtetes Pilotprojekt zum Thema E-Radverkehr umgesetzt. Besonders breite, blau markierte Radwege mit Piktogrammen wurden im Stadtgebiet angelegt. Das Projekt erhielt staatliche Förderung und wurde mehrfach ausgezeichnet. Die Stadt Göttingen wurde mehrfach als „Fahrradfreundliche Stadt“ geehrt.
Die neu geschaffenen Wege sorgen für mehr Sicherheit und Komfort durch spezielle Beläge und klare Kennzeichnung. Auch im Landkreis Göttingen lief ein gefördertes Forschungsprojekt zur Nutzung von E-Bikes. Unternehmen konnten Diensträder anschaffen, die für Fahrten auf Firmengeländen und Heimwege genutzt wurden. Mehr als 2500 Kilometer wurden so in einem Jahr gefahren, was zu einer deutlichen CO₂-Reduktion führte. Die lokale Redaktion HNA war dabei ein aktiver Partner.
Mehr zu aktuellen Entwicklungen in Göttingen finden Sie unter Klimarundgang in Göttingen.
Städte wie Braunschweig, Hannover und Göttingen investieren
In mehreren Städten Niedersachsens wird der Radverkehr zunehmend gefördert. In Braunschweig entstand aus einer Bürgerinitiative heraus ein neuer Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse. In Hannover erhielt das Fahrrad in den letzten Jahren eine deutlich höhere Priorität in der Stadtpolitik. In Göttingen wurde 2024 ein Radentscheid per Bürgerbegehren beschlossen, der nun Schritt für Schritt umgesetzt wird. Ziel ist die Verbesserung der Sicherheit und die Schaffung komfortabler, schneller Verbindungen.
Auch das Deutschlandticket hat den Radverkehr beeinflusst. Durch die gestiegene Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs kommt es vermehrt zu Kapazitätsengpässen bei der Fahrradmitnahme. Dennoch finden Kommunen meist praktikable Lösungen. Der Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) zeigte im Sommer gute Ergebnisse für Niedersachsen. Hannover belegte bei Städten über 500 000 Einwohnern den zweiten Platz.
Einen weiteren Überblick zu Projekten in der Region gibt es unter Ausbau der Annastraße.
Lastenräder zwischen Akzeptanz und Ablehnung
Das Beratungsunternehmen „cargobike.jetzt“ unter Leitung von Alexander Lutz berichtet über gemischte Entwicklungen beim Einsatz von Lastenrädern. Während bundesweit über eine Million dieser Räder verkauft wurden, nimmt die kommunale Förderung ab. Rund 130 Städte und Gemeinden hatten Programme zur Förderung von Lastenrädern, inzwischen hat sich diese Zahl halbiert.
Lutz beschreibt, dass soziale Medien zu einem negativen Stimmungsbild beigetragen haben. Viele sehen Lastenräder als Symbol für eine Verkehrspolitik gegen das Auto. Trotzdem bleibt die praktische Nutzung attraktiv – vor allem für Handwerksbetriebe mit Parkplatzproblemen. 30 Prozent der Firmen, die Lastenräder testen, schaffen später selbst eines an. Der Branchenreport „Radlogistik 2025“ fordert deshalb den Ausbau durchgängiger Radwege mit einer Mindestbreite von zwei Metern an Hauptstraßen.
Mehr zum Thema nachhaltiger Stadtentwicklung lesen Sie unter Forstgarten Göttingen wird neu belebt.
Die Bilanz zeigt, dass Deutschland beim Radverkehr auf dem richtigen Weg ist. Forschung, Praxis und kommunale Projekte greifen zunehmend ineinander. Herausforderungen bestehen weiterhin, doch die Akzeptanz wächst – nicht nur bei Wissenschaftlern, sondern auch bei Bürgern und Unternehmen.
Quelle: HNA