Am 8. Mai 2025 organisiert die Geschichtswerkstatt Göttingen einen historischen Rundgang zum Thema „Medizin in Göttingen im Nationalsozialismus – Rolle der Hebammen“. Die Veranstaltung beginnt um 15.00 Uhr an der Schranke Goßlerstraße / Ecke Käte-Hamburger-Weg. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Führung wird von der Hebamme Cornelia Krapp geleitet und verläuft über das ehemalige Klinikgelände zwischen Goßlerstraße und Humboldtallee.
Inhaltsverzeichnis:
- Göttinger Universitätsklinikum und Zwangsarbeit
- Kinder von Zwangsarbeiterinnen in Göttingen
- Das Hebammengesetz von 1938
- Teil einer größeren Ausstellung
Göttinger Universitätsklinikum und Zwangsarbeit
Das Gelände des alten Universitätsklinikums war im Nationalsozialismus ein zentraler Ort für medizinische Praktiken an Zwangsarbeiterinnen. Sie wurden sowohl als Patientinnen als auch als Arbeitskräfte eingesetzt. Viele Frauen aus Osteuropa mussten unter Zwang medizinische Untersuchungen und Eingriffe über sich ergehen lassen. Die Zustände waren oft menschenunwürdig. Die Führung thematisiert diese Aspekte anhand konkreter Orte und Geschehnisse.
Ein Fokus liegt auf den Zwangssterilisationen, die in der Frauenklinik durchgeführt wurden. Diese Eingriffe waren Teil der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Frauen, die als „lebensunwert“ galten, wurden gegen ihren Willen unfruchtbar gemacht. Viele dieser Eingriffe wurden mit Hilfe von Hebammen vorbereitet und dokumentiert. Auch diese Berufsgruppe war in das System eingebunden – teils aktiv, teils unter Zwang.
Kinder von Zwangsarbeiterinnen in Göttingen
Schwangere Zwangsarbeiterinnen galten im Dritten Reich als unerwünscht. Ihre Kinder wurden nicht als Teil der „Volksgemeinschaft“ betrachtet. Dennoch kamen in Krankenhäusern, Lagern und Unterkünften zahlreiche Kinder zur Welt. Hebammen betreuten viele dieser Geburten. Die Bedingungen waren schlecht, medizinische Versorgung kaum vorhanden. Betreuung und Nachsorge waren selten.
Ein besonders grausamer Aspekt betrifft die sogenannten „Hausschwangeren“ aus Osteuropa. Sie wurden gezielt für die medizinische Ausbildung missbraucht. Hebammen und Medizinstudenten führten Eingriffe an ihnen durch, um praktische Erfahrung zu sammeln. Diese Praxis zeigt, wie sehr medizinisches Wissen mit rassistischer Ideologie verbunden war.
Das Hebammengesetz von 1938
Im Jahr 1938 wurde gesetzlich festgelegt, dass jede Geburt von einer Hebamme begleitet werden musste. Die nationalsozialistische Ideologie wollte Frauen auf ihre Mutterrolle festlegen. Hebammen wurden zum Teil dieses Systems. Die Berufsgruppe sollte die „arische“ Reproduktion sichern und zugleich Geburten „unerwünschter“ Kinder kontrollieren.
Heute distanziert sich die Hebammenschaft von dieser Vergangenheit. Im aktuellen Hebammengesetz wird das Recht auf Selbstbestimmung der Frau betont. Ethik und Menschenwürde stehen im Mittelpunkt. Der Rundgang macht diesen Wandel sichtbar und lädt zur kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte ein.
Teil einer größeren Ausstellung
Die Veranstaltung ist Teil der Ausstellung „Auf der Spur europäischer Zwangsarbeit. Südniedersachsen 1939–1945“. Diese beleuchtet regionale Aspekte der NS-Zwangsarbeit in mehreren Städten und Dörfern. Der Rundgang in Göttingen stellt einen lokalen Zugang zu diesem Thema her und zeigt, wie sehr die Geschichte auch heute noch nachwirkt.
Quelle: Göttingen-Stadt